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30. Juli 2020
le système, c´est moi.

Unser Leben ist politisch. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, findet es immer im Rahmen von Strukturen und Weltanschauungen statt, im Rahmen von Hierarchien und Interessen.

Unser Leben ist politisch, natürlich. Es bewegt sich und uns zum Beispiel innerhalb eines Wirtschaftssystems, das – per Geflecht aus Profit und Kollateralschaden, aus Privilegien und Marginalisierung – diese Welt in den humanistischen und ökologischen Ruin zu treiben droht. Innerhalb dessen die Positionierung der Einzelnen stark von den Auswirkungen verschiedener, Ungleichheit schaffender Ideologien abhängt. Global und direkt vor der Haustür – und entlang von Kategorien wie Hautfarbe, Herkunft oder Geschlecht, kolonialem Erbe, Religion, Gesundheit oder weiß der Kuckuck was.

Klingt verwickelt. Ist es auch.

Es braucht einen offenen Blick und genaues Betrachten, Analysen und Gegenentwürfe, um diese Zusammenhänge einigermassen zu entwirren. Es braucht aber auch die Bereitschaft zur Auseinandersetzung, das Wissen ums eigene Nichtwissen – und einen freundlichen, alle Grenzen überschreitenden Gemeinschaftsbegriff. Dann kann ich meine eigene, willkürlich privilegierte Position erkennen und mitdenken. Dann kann ich verstehen, dass ich – wie alle – den Rahmen mitgestalte, in dem Leben sich entfaltet. DANN kann ich: entscheiden, wie ich handeln möchte.

Und zwar immer und überall, aber bleiben wir mal beim Kapitalismus und seinem Einfluss auf alles und jede*n. Eine der wichtigsten Bewegungen meiner massagefreien Zeit war das Nachdenken über Selbstverständlichkeiten, über Erwartungen und das, was reicht. Was ist eine gutgehende Praxis/ umfassendem Angebot, was ist finanzielle Sicherheit, was Lebensqualität? Ich könnte auch fragen, womit ich zu einer lebendigen, wirklich solidarischen Gemeinschaft beitrage und womit nur das bestärke, was ich im Großen kritisiere. Wenn ich wirklich ausatme, kann ich Dinge reifen lassen, anstatt Wachstum zu forcieren. Kann ihr SO SEIN schätzen lernen und auf den richtigen Moment warten. Es gibt keine Planungssicherheit im Lebendigen, Teilen macht glücklich und Gewinnmaximierung krank. Diese Erkenntnisse haben revolutionäres Potential.

Denn politisches Handeln beginnt immer in der kleinen, konkreten Entscheidung. Und sieht hier und da und dort immer wieder anders aus. Ich selber beginne mit ein wenig Demut, dem Bestaunen meines völlig unverdienten Glücks und der Frage, wie ich es nutzen kann auf eine Art, die für alle gut ist.

 

Meine Selbstreflexion der Woche:
Kapitalismus ist mehr als Bill Gates – und Bill Gates ist der Mann, auf dessen Betriebssystem ich gerade schreibe, weil ich Ubuntu irgendwann überfordert aufgab. Geschah das Aufgeben auch aus derselben Phantasielosigkeit heraus, die mir ein Leben ohne PC kaum mehr vorstellbar erscheinen lässt? Lasst uns immer wieder dort fragen, wo´s wehtut. Denn da geht´s lang **

Experiment_vorschläge der Woche
Überleg Dir EINEN Bereich, in dem Du gern ein guter Einfluss im System wärst. Sei zum Beispiel eine Woche (oder einen Monat, ein Jahr oder für immer) nett zu allen, die Du triffst. Wechsel (zurück) zu Ubuntu oder lass das Auto stehen, wann immer es geht. Schalte Deine jeweiligen Endgeräte unfassbare 7 Tage lang nur fürs absolut Unumgängliche ein. Rede mit anderen darüber, wie Ihr arbeiten wollt, wie Ihr konsumieren wollt, wie Ihr Solidarität ausdrücken wollt. Oder, oder oder. Such Dir etwas, was für Dich persönlich eine echte Herausforderung, aber realistisch machbar ist.

Realitäts_abgleich der Woche
Schau gern mal  I am not your negro (erhältlich zum Beispiel hier) und erleb danach, wie sich einer der unzähligen Hollywood- oder sonstigen Unterhaltungsfilme ohne BPoC in den Hauptrollen so anfühlt. Oder wie sich „die“ Realität in diesem Land anfühlt. Besonders erkenntnisversprechend, wenn Du weiß bist.


Tolle Musik kennenlernen der Woche:
Layla McCalla blickt singend ein wenig anders aufs Thema, und doch (oder vielleicht auch deswegen) will ich dieses Video so gern in die Welt schicken. Für die Idee, die (Karriere) Leiter einfach nicht hochzuklettern, weil, as you rise, the stakes get higher (…) and if I give everything, I won´t have much more to lose. Keine Illustration meiner Gedanken (wär ja irgendwie auch langweilig), sondern das Kennenlernen einer Musikerin. YAY.