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2. April 2020
„…und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“ –
ein kleines Sinnieren über die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben.

Auch die unter uns, die noch nicht auf der Flucht oder auf der Strasse gelebt haben, die noch nicht von Krieg oder alles infragestellender Krise betroffen waren, kennen diese Momente, in denen etwas zu entgleiten scheint. In denen Gesundheit, Versorgtsein oder die freie Wahl der Umstände sich nicht so einstellen, wie wir es gerne hätten. Diese Momente sind innerhalb einer vergleichsweise behüteten und vom Kapitalismus geprägten Biographie fast schon ein Glücksfall, denn sie ermöglichen ein kurzes oder auch nachhaltiges Auftauchen aus dem Irrtum, das Leben und seine Phänomene seien kontrollierbar. Sie sind es nicht – und ein Leben in Fülle wird sich uns in dem Maße erschliessen, wie wir es SEIN lassen können. Sein lassen, wie der Buddha zitiert wird, in all seinen Ausprägungen:

„Praise and blame, gain and loss, pleasure and sorrow come and go like the wind.
To be happy, rest like a giant tree in the midst of them all.“

Dieser Tage ist die scheinbare Kontrolle und ihr Verlust ein kollektives Akutthema – wenn es uns Menschen auch an so vollkommen unterschiedlichen Punkten trifft wie alles andere. Was auch immer wir (die wir nicht im Flüchtlingscamp festsitzen) uns für diesen Frühling vorgenommen hatten – es ist wahrscheinlich anders gekommen. Und es war nicht unsere Entscheidung. Es schränkt uns ein. Und wir verstehen es vor allem nicht wirklich. Unabhängig von der Frage, was hier eigentlich gerade vor sich geht und auch unabhängig davon, an welchem Punkt des interpretatorischen Kontinuums wir uns dazu verorten mögen: es ist höchste Zeit, auszuatmen! Es ist höchste Zeit, Yoga zu üben, zu tanzen und mit den Bäumen zu ruhen inmitten der Irritation.

Vielleicht ist es ja gerade eine gute Idee, das Bedürfnis nach Kontrolle zum Inhalt von Meditation zu machen. Vielleicht lässt sich in Stille und Sammlung die Spannung erahnen, die aus dem Festhalten entsteht. Und vielleicht können wir diese Spannung ja für einen Moment loslassen, können die Perspektive weiten und das Leben in all seiner Komplexität durch uns durch fliessen lassen. Vielleicht kann dann aus der Stille des Augenblicks auch wieder die Intuition auftauchen, die uns im Dschungel der sich überschlagenden Informationen und Deutungen gerade oft verlorenzugehen droht. Eine Intuition, die uns Entscheidungen treffen lässt, wo sie nötig sind, die uns Gelassenheit gibt, wo es nichts zu entscheiden gibt – und die den Blick über unser eigenes Wohl hinaus weitet für das grosse Ganze, für die Gemeinschaft aller Lebewesen.

 

Meditationsvorschlag der Woche:
* Finde einen würdevollen und freundlich Sitz, bequem und aufrecht
* komm in der Betrachtung Deines Atems zur Ruhe, ohne Erwartung und ohne Wertung
* erlaube den kleinen und grossen Muskeln Deines Körpers, loszulassen – vom Scheitel bis zur Sohle
* lass ein Gefühl von Weichheit und Weite zu
* weite visualisierend Deine Fußsohlen, Handflächen und den Brustraum (die 5 Herzen des Ayurveda)
* und gib Dich mit einem vertrauensvollen inneren Lächeln dem Augenblick hin
* erscheinen Bilder, Gedanken, Erwartungen oder Wertungen, winke ihnen freundlich zu und verabschiede sie
* freu dich an ihrem Kommen und Gehen
* freu Dich am Kommen und Gehen der Sinneseindrücke und ruhe darin – wie ein Baum.

Ayurvedischer Vorschlag der Woche:
Beginne den Tag mit einem kleinen Ritual, das Dir Freude macht und Gelassenheit fördert.
Lass das Trinken warmen (und gern leicht zitronigen) Wassers ein Teil dieses Rituals sein, eine Kerze für den Beginn und das Ende, ein wenig Bewegung, ein wenig bewusstes Atmen, etwas Inspirierendes. Hol Dir Anregungen von überall, wo es Dir fruchtbar erscheint.

Buchvorschlag der Woche:
The book of joy  (Das Buch der Freude). Eine Kooperation des Dalai Lama und Desmond Tutu mit Douglas Abrams.

Video der Woche (ich werde nicht müde, es zu zeigen):
Gaur Gopal Prabhu