7. Mai 2020
We are the world – eine Yogaschnecke denkt über VERBUNDENHEIT nach.
Morgen ist der 8. Mai und damit mal wieder Gelegenheit, wie konntet Ihr nur? zu sagen. Was bei einer solchen Anklage allerdings immer offen bleibt, ist die Frage: was hätte ich getan? Was hätte ich gesehen? Und vor allem: was sehe und tue ich heute? Das Wissen um alles Leid der Welt ist in dieser Zeit so leicht zugänglich wie nie zuvor – selten mehr als eine Suchanfrage entfernt, bleibt es dennoch viel zu oft ohne wirkliche Resonanz. Also, how dare we? Was fehlt, ist möglicherweise und immer wieder das Gefühl von Verbundenheit. Auch virtuelle Aufbereitung kann aus realen Situationen Themen machen und aus Themen etwas Theoretisches, das keinen Bezug mehr hat zum eigenen Leben. Gerade noch aushaltbar werden Existenzen in kleine Einheiten verpackt, auf dass uns die schiere Größe all dessen, was wir nicht halten, heilen oder lösen können, nicht erschlägt. Wo der Abgrund des Berührtwerdens lauert, lockt Eskapismus als Selbstschutz: lieber ablenken als verzweifeln. Denn es gibt ja kein richtiges Leben im Falschen, wie Adorno so weise feststellte – und von heute auf Morgen wird keine von uns eigenhändig Kapitalismus, Hunger und die Zerstörung der Ökosysteme abschaffen.
Was wir allerdings können ist, die Perspektive zu wechseln. Zu verstehen, dass die Textur dessen, was das Leben auf dieser Erde ausmacht, aus unser aller Intentionen und Handlungen gewebt ist – und dass wir uns entscheiden können, nicht zu flüchten vor unserem gemeinsamen Menschsein. Das sind alles WIR. Die Menschen, die für die seltenen Erden in meinem Handy ihr Leben riskieren ebenso wie diejenigen, die unter mehr oder weniger fairen Bedingungen meine Kleidung nähen oder auch einfach nur auf der anderen Seite der Erde eine gute Zeit haben wollen. Und ich. Und du. Und die Birken, die Biber, die Bäche. Leben ist immer Verbundenheit – ob wir das nun realisieren oder nicht. Aber wann immer uns diese Realität bewusst wird, können wir bleiben, das Herz weitmachen und uns berühren lassen. Vielleicht auch um etwas weinen, ausatmen und überlegen, was gerade wir in gerade diesem Moment tun können. Weil die Einzelnen im Moment wirklicher Verbundenheit eigentlich nicht gegen die Interessen des WIR handeln.
Und zwar nicht aus der Sicht einer wie auch immer begründeten Moraltheorie, die aufzustellen ich mich nicht berufen fühle. Sondern als Plädoyer für ein wiederholtes Experimentieren mit kleinen Schritten. Wenn das Handy kaputtgeht, brauche ich wirklich ein neues, oder wäre gebraucht kaufen nicht ebenso wunderbar und zudem resourcenschonend? Können wir ein paar Bienen froh machen durch das, was wir mit einem Stück Erde so anfangen oder einer Unbekannten den Tag versüssen mit einem geteilten Augenblick? Manchmal sind es Dinge, die wir NICHT tun, Gewohnheiten, die wir verändern oder solidarische Ideen, die wir schon seit Langem in die Tat umsetzen wollten. Manchmal ist es auch einfach etwas Geld, was hilfreich sein kann. Verbundenheit ist mehr als Einfühlungsvermögen und Mitleiden. Verbundenheit ist auch der Wunsch, dass es allen Wesen gut gehen möge. In aller Freundlichkeit können wir eines der schwierigsten, mutigsten und heilsamsten Haltungen kultivieren, die es gibt: Mitgefühl.
Kleine Bewegungsmeditation der Woche:
* Finde eine entspannte Haltung im Stehen und schliesse die Augen, wenn das angenehm für Dich ist
* komm in der Betrachtung Deines Atems zur Ruhe, ohne Erwartung und ohne Wertung
* wenn Du soweit bist, hebe einatmend die Arme über den Kopf in ein V und verbinde Dich mit der Welt
* bring ausatmend die Hände vors Herz: Handflächen aufeinander, Daumen am Brustbein. Verbinde Dich mit dir
* öffne einatmend die Hände ins Lotusmudra:
hebe dabei sanft Dein Brustbein und spüre die Weite, die Dich mit allen und allem verbindet.
* atme aus und lass die Handflächen einander wieder berühren
* atme ein und richte Dich noch einmal freundlich und würdevoll auf
* atme aus und lass die Arme sinken
Wiederhole diese Folge so oft, wie es sich gut anfühlt.
Video der Woche:
Wenn Du Dir drei Minuten Zeit zum Eintauchen nehmen magst, könnte das sehr schön werden. Und ich finde, es ist erst der Anfang – vielleicht morpht ja bald eine*r von uns auch was Östliches, Südliches und Nördliches. Und so.
Buch der Woche:
Shikasta von Doris Lessing. Die Geschichte der Erde als space fiction – die Suche nach der (verlorenen) Verbundenheit, dem WIR immer im Blick. Eins meiner liebsten Bücher of all times
Ohrwurm der Woche, eigentlich die Essenz dessen, was ich heute sagen will:
Und JA! ich habe eine Affinität zur Popkultur und ausserdem meine Jugend in den 80ern gelassen.
Hört dem Text aber gern wirklich zu!
Und noch einer:
Freude lässt uns schöner glänzen..